Vor meiner Tür auf einer Matte steht jeden Tag die blonde Ratte. Überdimensional und mit fein säuberlich gescheitelter Haarpracht steht sie da, auf der Fußmatte und versperrt den Weg ins traute Heim. Ungeladen, aber umso zielstrebiger drängt sie sich in Wohnung und Leben des Erzählers. Der trägt sein blondes Haar im Übrigen genau wie die Ratte. Oder ist es vielleicht eher umgekehrt? Dem Verhalten der Ratte nach zu urteilen erscheint das plausibler. "Schneller als ich denken kann, hat sie meine Latschen an" klagt der Barfüßige. Auch Sessel und Kanapee sind schon von der Ratte besetzt, ebenso Klavier, Badewanne und Telefon. Ob Wäschewaschen, Essen, Lesen, Zähneputzen- nichts geht ohne die Ratte. Als sie sich schließlich vor dem Zubettgehen auch noch das Pyjamaoberteil krallt, reicht es: "Immerzu sind wir zu zweit, das geht wirklich jetzt zu weit" Das jedoch lässt sich die Ratte nicht zweimal sagen und bleibt fortan verschwunden: "Letzten Montag siebzehn Uhr von der Ratte keine Spur. In der Stube brennt kein Licht und im Sessel sitzt sie nicht." Auch all die anderen Stationen, die zuvor gereimt durchlaufen wurden, bleiben rattenlos und leer. Ein unerträglicher Zustand für den Blonden. Er leidet. Vermisst den geliebten Quälgeist. Entsprechend groß ist die Freude, als die Ratte dann doch wieder auftaucht. Es gibt ein Festmahl und sogar eigene Latschen für die Ratte. Ob es aber jetzt besser wird als zuvor, bleibt angesichts der letzten Bilder ungewiss. Fest steht, dass Nadia Budde mit ihrer gereimten Geschichte von der Ratte auf der Matte die Untiefen des Zusammenlebens und den nervenaufreibenden Balanceakt dieser beinahe alltäglich anmutenden Hass-Liebe ebenso treffend wie überspitzt einfängt und mit gewohnt schrägem Humor in Wort und Bild bannt.

Altersempfehlung: ab 4 Jahren.

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Personen: Budde, Nadia

Schlagwörter: Antolin Klasse-1 Humor Miteinander leben Ratte Gast