Travnicek, Cornelia
Mindestens einen der weißen Wale Gedichte
Belletristik

Gedichtbände haben immer auch ein geheimes Drehbuch unter der Gedicht-Haut mitlaufen, damit sich die poetischen Sporen auch im Wind der Gegenwart verbreiten können. Cornelia Travnicek verzichtet in ihrem Gedichtband auf ein deklariertes Inhaltsverzeichnis, ihre Gedichte setzen ein wie eine Erzählung und enden in einem umfangreichen Schlussstein, der alles zusammenhält. In einem Bild einer Landschaft werden dem lyrischen Ich wie auf einem Theater-Prospekt einzelne Sequenzen vorgeschoben, die dieses abnickt, bis ein blankes Steinfeld übrig bleibt: "das herz, das nicht mehr dir gehört; altersklein geworden / unter grünbemooster haut" (64) Bis zu diesem Ende tun sich vier Gedicht-Akte auf: "Sediment einer Dekade / Es kommt keine bessere Gelegenheit mehr / Eine ausnahmslos unzureichende Zuwendung / Da hatte ich den schwarzen Rock schon an". Ähnlich dem Jahreskreis werden in diesen Kapiteln die Strukturen einer Epoche, die Aussicht auf Veränderung, die Misere der Einsamkeit und das Ende mit feierlichem Kleid angesprochen. Die Funktion des lyrischen Ichs wird in einem Vergleich mit einem Schiff deutlich. "ICH BIN EIN SCHIFF / ich bin ein schiff das seit langem schon gestrandet ist / ich bin ein schiff das verloren über dem wasser des hafens hängt / ich bin ein schiff auf dessen bug ein alter mann den namen seiner toten frau pinselt / ja vielleicht / lass ich mir die segel nicht aus dem wind nehmen" (28) Nach dem Aufruf des Begriffs stellt sich jede Leserin etwas anders vor, ehe mit drei Bildern über das Stranden, Festhängen und Verdösen zum Kosenamen noch einmal ein straffes Aufzucken durch die Zeilen geht, kein Wind wird aus den Segeln genommen! Wer lyrisch unterwegs ist gerät immer auch an seltene Gebilde, an Orte, die sich nur schwer googeln lassen wie etwa die Faultürme, an denen sich ein Kind an einem Speichelfaden abseilt. (47) In einem Gartengedicht abgelöschter Gefühle bleibt die Liebe erhalten unter dem Fallobst der Jahrzehnte. "IM FRÜHJAHR SCHREIEN DIE KATZEN IM GARTEN / denn die liebe tut weh sagt meine nachbarin / ihr herz hatte ihr ein junger soldat gebrochen aber / das ist lange her daran stirbt man nicht / die äpfel blühen da draußen bei den katzen im garten / ihr hund ist jetzt tot sein name war mischa / so hieß der junge soldat." (54) Cornelia Travniceks Reisen führen an seltene und seltsame Orte, immer bricht eine Überraschung los und es gibt eine Mindestgarantie für die Sichtung eines weißen Wals. Helmuth Schönauer


Rezension


Dieses Medium ist verfügbar.

Serie / Reihe: Neue Lyrik aus Österreich 11

Personen: Travnicek, Cornelia

Travnicek, Cornelia:
Mindestens einen der weißen Wale : Gedichte / Cornelia Travnicek. - Horn : Berger, 2015. - 64 S. - (Neue Lyrik aus Österreich; 11)
ISBN 978-3-85028-686-2 kart. : ca. EUR 16,50

Zugangsnummer: 0004739001 - Barcode: 2-0000000-8-02049373-8
DL - Signatur: DL Tra - Belletristik