Schuh, Franz
Fortuna aus dem Magazin des Glücks
Belletristik

Oft hilft ein Piktogramm, damit man sich etwas Abstraktes vorstellen kann. Im Falle der Fortuna steht eine Frau mit dem Rücken zum Zuschauer an einer laternenpfahlähnlichen blauen Säule und ist mit dem rechten Träger des Badeanzugs an einen Strich aus Sommer angekettet. Franz Schuh erzählt ähnlich wie das Cover auf seinem "Magazin des Glücks", überschaubar, reduziert, weiträumig und logisch. Man liest die längste Zeit und merkt gar nicht, dass man schweres philosophisches Gelände bewältigt hat. Seine Gedankengänge führt er oft als Unterflurtrasse durch seine eigene Textlandschaft, die beschwingt wie ein Erlebnisroman über den Fährnissen des Erzählers angelegt sind. Grob vereinfacht sind über vierzig Texte, Elegien, Essays und Ausflüge in die Lektüre mit zwei lyrischen Inn-Sequenzen in das Buch gekeilt. Einmal sitzt das lyrische Ich als Schopenhauer am Inn und macht eine schöne Selbstanwendung: "Wenn ein Schmerz mich quält, / interpretiere ich ihn, / damit er weniger wehtut." (23) Zum anderen gibt es als Abspann ein "Stillleben am Inn". "Meine Augen / weichen aus, / ich sehe vor mich hin / ins eisige Wasser." (250) Der Inn als Begleiter eines Glücksbuches, das hat es wohl noch nie gegeben! Der Titel bahnt sich allmählich an, denn immer wieder zeigen Überlebenskünste aus dem Gemeindebau oder aus dem Spital, dass es durchaus so etwas wie Glück gibt, wenn man das Leben derpackt. Vieles an Angriffen lässt sich auch abwehren, wenn man vorbereitet ist. So begegnet der Ich-Patient Ärzten konsequent mit der Formel "bewegen und abnehmen", worauf die Ärzte krank sind, weil sie mit so einer Begrüßung nicht gerechnet haben. Ein Großteil der Erzählung spielt in anderen Büchern, deren Lektüre oft schon lange zurückliegt, deren Kraftsätze aber punktgenau wieder als Erinnerung auftauchen, wenn man sich in der Erinnerung treiben lässt. Das Magazin des Glücks ist eine Formulierung, die auf Ödön von Horvath zurückgeht und die Jagd nach Glück konterkariert. Alexander Kluge, der Meister der eiskalten Analyse, hat daraus den Merksatz formuliert: "Die Glückssuche, die uns Menschen gemeinsam ist, funktioniert noch in der bittersten Not, und sie steckt im schwarzen Witz, der auf die Tragödien antwortet." (179) Nach diesem Motto und gepaart mit der Todesleichtigkeit des Wiener Dialektes sind immer wieder Glückserlebnisse eingestreut, etwa wenn ein Kanal besonders riecht oder wenn das Essen im Spital besonders gut ist, obwohl sich die Verdauung vertschüsst hat. Eine rote Fahne hängt aus dem Gemeindebau wie die Zunge aus einer Kuh, bei Herzinfarkt bleibt der Railjet auch in Attnang-Puchheim stehen, die Anekdote gilt als sicheres Zeichen von Zerfall. Gerade dieser Mix aus epochaler Philosophie und ungebremster Anwendung des Alltags macht den Franz Schuh zu einem Glücksfall der Lektüre. Man liest sich durch die schwierigsten Denkaufgaben wie durch Butter, weil der Leseschwung so groß ist! Helmuth Schönauer


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Personen: Schuh, Franz

Standort: Bibliothek

DR Schu

Schuh, Franz:
Fortuna : aus dem Magazin des Glücks / Franz Schuh. - Wien : Zsolnay-Verl., 2017. - 250 S.
ISBN 978-3-552-05820-0 fest geb. : ca. Eur 22,70

Zugangsnummer: 0016729001
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